Innovation Benchmark Energiewirtschaft 2023: Energiekrise als Härtetest für das Innovationsportfolio

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Die aktuelle Energiekrise hinterlässt deutliche Spuren im Innovationsportfolio der Energieversorgungsunternehmen (EVU). Dies zeigt das Innovation Benchmark 2023 für die Energiewirtschaft der Management Beratung AXXCON.

So blieb die Anzahl der untersuchten innovativen Produkte und Dienstleistungen für die Endkunden mit durchschnittlich 33 im Jahr 2022 im Vergleich zu 32 im Vorjahr erstmals seit Beginn der jährlichen Untersuchung nahezu unverändert. In einigen Unternehmen zeichnete sich sogar eine Konsolidierung ab. So bot der wiederholte Spitzenreiter EnBW AG nur noch 45 der 70 untersuchten innovativen Dienstleistungen an, im Vorjahr waren es 48.

EVU fokussieren auf die Umsetzung von Innovationen – Entwicklung neuer Angebote stagniert

„Bereits in den Jahren der Coronapandemie war ein Innovationsschub in Sachen Digitalisierung, Transformation und Nachhaltigkeit ausgeblieben“, erklärt Harald Freitag, Managing Partner und Energiemarktexperte bei AXXCON. Im vergangenen Jahr haben sich die EVU in Folge der Energiekrise noch stärker auf die Entwicklung ihres Kerngeschäfts fokussiert, statt in weitere innovative Produkte und Services für den Endkunden zu investieren. Freitag: „Der Schwerpunkt der Innovationstätigkeit lag auf der Umsetzung von Innovationen sowie effizienteren und schlankeren Prozessen, an denen die EVU konsequent arbeiten.“ Angebote für den Endkunden hingegen werden konstant gehalten bzw. sogar zurückgefahren. Freitag: „Sonderlocken abzuschneiden kann in der aktuellen Situation durchaus sinnvoll sein. Wichtig ist jedoch ein Portfolio-Check, damit besonders zukunftsweisende Produkte und Services dem Rotstift nicht zum Opfer fallen.“ Die Krise werde zum Härtetest für das Innovationsportfolio.

Für die jährlich durchgeführte Studie zur Innovationstätigkeit deutscher EVU wurde das nach außen sichtbare und an den Endkunden gerichtete Angebot innovativer Dienstleistungen und Produkte von Beratungs-Apps über Elektromobilität und neue Speichertechnologien bis hin zu Telefonie und Internet verglichen. Grundlage war das aktuelle Leistungsportfolio auf den jeweiligen Internetseiten. Untersucht wurden 28 deutsche Energieversorger – von den großen landesweit agierenden Playern bis hin zu kleineren und mittleren Stadtwerken. Letztere wurden exemplarisch ausgewählt, um die verschiedenen Größenordnungen abzubilden. Die in der Studie untersuchten Leistungsangebote wurden in vier Rubriken geclustert: Digitalisierung, effiziente Energienutzung und -erzeugung, Mobilität sowie innovative Services und Vertriebsstrategien.

Rückschritt bei der Online-Terminvereinbarung – Zuwachs dafür beim Stadt-WLAN

In der Rubrik effiziente Energienutzung und Erzeugung gab es bei dem auf Endkunden ausgerichteten Angebot einen leichten Abfall. Dieser zeigt sich etwa in den Bereichen Power to Heat, Geräteverleih und Smart Home. Zuwächse erfolgten hingegen bei der direkten Energievermarktung, beim Energiemanagement und besonders deutlich in dem wichtigen Bereich Smart Grids. Hier stieg die Anzahl der EVU, die diese Leistungen für den Endkunden anbieten, von 14 im Jahr 2021 auf 20 im Jahr 2022.

Auch im Bereich Digitalisierung hat sich das Angebot insgesamt verringert. „Bereits während der Pandemie wurden die Prozesse so erweitert, dass das bestehende Geschäftsmodell aufrechterhalten werden konnte. So bieten die EVU ihren Kunden mehrere Onlinezugänge an – etwa über ein Kundenportal oder Multichannel-Kommunikationsangebote im Kundenservice“, erklärt Senior Manager Dr. Bernard Richter. Auch die Online-Erfassung von Zählerständen und Online-Abrechnungen haben ein hohes Niveau erreicht. Bei der Online-Terminvereinbarung ging das Angebot allerdings zurück. Es wird nun nur noch von sechs statt im Vorjahr von zehn der Unternehmen angeboten. Auch beim Angebot von Apps für das eigene Dienstleistungsangebot oder Mobilitäts-Apps ist der Trend deutlich rückläufig. Zugelegt hingegen hat der Bereich Stadt-WLAN. „Hier wurden im vergangenen Jahr von langer Hand geplante Angebote realisiert“, so Richter. Im Bereich Mobilität haben fast alle EVU Angebote für öffentliche und private Elektroladestationen. Der Großteil bietet auch Autostromverträge an, hier stieg die Zahl der Anbieter im Vergleich zum Vorjahr von 23 auf 26. Beim Thema Carsharing und E-Bikes hingegen stagnierte die Entwicklung.

Kleine EVU halten sich im starken Mittelfeld

Sieger des diesjährigen Vergleichs ist wie auch im Vorjahr das Unternehmen EnBW mit einem Jahresumsatz von 32,1 Milliarden Euro, es folgen EWE mit 6,1 Milliarden Euro auf Platz zwei und die Stadtwerke Düsseldorf mit einem Jahresumsatz von 2,3 Milliarden Euro. EON mit 77,4 Milliarden Euro ist von Platz 3 auf Platz 4 gerutscht. Dass es beim Thema Innovation nicht allein um Größe und Konzernstrukturen geht, zeigen auch die im starken Mittelfeld platzierten Unternehmen wie die Stadtwerke Bochum (0,64 Milliarden Euro) und Badenova (1,1 Milliarden Euro). „Dennoch haben seit Beginn der Untersuchung tendenziell die großen EVU den kleinen die vorderen Ränge streitig gemacht“, so Richter. Zuletzt hatten im Jahr 2019 besonders viele kleinere EVU vordere Plätze belegt.

Für das „AXXCON Innovation Benchmark Energiewirtschaft 2023″* wurde das Leistungsangebot von 28 ausgewählten EVU auf Basis der Daten aus dem Jahr 2022 mit den Ergebnissen aus dem Vorjahr verglichen. Die im Rahmen der Untersuchung betrachteten EVU generieren einen Jahresumsatz von ca. 204 Milliarden Euro. Insgesamt werden in Deutschland auf dem Energiemarkt jährlich ca. 393 Milliarden Euro (Statista Branchenreport) erwirtschaftet.

PM/ Karim Schäfer